Schon im Vorfeld der Ausstrahlung dieses beeindruckenden Fernsehfilms hatte es Kritik am späten Sendeplatz 22.15 gegeben. Hatte das ZDF Angst vor der eigenen Courage, das Thema „aktive Sterbehilfe“ zur Primetime zu bringen? Immerhin ist er jetzt in der Mediathek, allerdings nur zwischen 20 und 6 Uhr morgens abrufbar.
Das Drama zeigt Berlin in der nahen Zukunft. Zahlreiche demente Alte irren durch die Straßen und werden von mobilen Hilfsdiensten „eingesammelt“. Die Pflegeheime sind überlastet: gerade noch 15 Minuten Zeit pro Mensch und Tag kann die Gesellschaft finanzieren. Dauermedikamentierung, Beruhigungsspritzen, wenn jemand ausrastet, nächtliche Fixierung – das ganze Elend wird gezeigt, sowohl in Heimen als auch dort, wo noch ein Angehöriger pflegt.
Wie etwa der Journalist, der mit seinem dementen Vater kaum mehr fertig wird: mal trifft er ihn nackt und gesichtsbemalt an, im Kampf gegen die im Flur verteilten eigenen Exkremente, die er für feindliche Maden hält. Mal erkennt der Vater ihn nicht, wird aggressiv und sogar gewalttätig. Letztlich zündet er sogar die Wohnung an. In lichten Momenten gibt es aber auch Freude, spielerisches Miteinander, große Nähe, doch manchmal erkennt der Vater seine Lage und wünscht sich, zu sterben, um endlich keine Last mehr zu sein.
Aktive Sterbehilfe als Dienstleistung
Gerade dieser Journalist wird nun von einem Unternehmer als PR-Schreiber engagiert, der den selbst gewählten Freitod als Inszenierung schöner Illusionen verkauft. Nachdem das Bundesverfassungsgericht aktive Sterbehilfe als Dienstleistung erlaubt hat, sieht der das große Geschäft: Sterben als feierlicher Event, zelebriert im Kreis einer durch Schauspieler in Szene gesetzten „Familie“. Sein Argument: „Die meisten von uns haben keine Kinder, die wir mit der Pflege belasten könnten – und wer noch Angehörige hat, möchte ihnen das nicht zumuten“. Zudem sei es in einer Welt, in der Kinder per geplantem Kaiserschnitt geboren werden, doch nur normal, auch das Ende „frei“ zu gestalten.
Besonders beeindruckt hat mich der Satz: „Wer jetzt alt ist, ist doch mit Rock’n Roll aufgewachsen, mit Jimmy Hendrix und so. Denen kann man doch nicht einfach in einem Abstellraum eine Spritze geben!“
Ja, zu dieser Zielgruppe gehöre ich auch, im Film-Pflegeheim spielte man die Songs der 70ger-Jahre. Man kommt nicht umhin, sich selbst die Frage zu stellen: Würde ich das „Angebot“ annehmen wollen? Ganz sicher nicht mit Schauspielern, aber so grundsätzlich… ?
Pech, dass die erste „Kundin“, die für ihren Freitod bis zum Verfassungsgericht geklagt hat, mittlerweile so verwirrt ist, dass sie davon nichts mehr weiß. Es entspinnt sich ein Drama, das auch komödiantische Momente hat, etwa wenn einige Pflegeheiminsassen ihre restlichen Geisteskräfte einsetzen, um eine „Flucht“ zu ermöglichen – und am Ende geht alles doch irgendwie gut aus, so dass man den Film auch um 20.15 Uhr hätte zeigen können.
Auf jeden Fall ist dieser Film eine Sternstunde des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, in einem Privatsender schier unvorstellbar.
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4 Kommentare zu „Komm, schöner Tod! Vom Sterben als Event“.