„Es gibt keine Alten, nur ältere Menschen!“ – das sagte gestern Konrad Franke, 73, Journalist und Autor mehrerer Bücher über Wohnen im Alter bei Anne Will. Schießlich sei er für einen 30-Jährigen steinalt, gegenüber einem 95-Jährigen allerdings noch jung. Also weg mit „alt“?
Mich mutet seltsam an, wenn es keine Alten, sondern nur „Ältere“ geben darf. Spätestens von über 70-Jährigen erwarte ich eine gewisse Gelassenheit, ja sogar das, was man als „Weisheit des Alters“ beschreibt. Wenn schon das Wort ALT abgelehnt wird, wird es kaum gelingen, die positiven Seiten des Alterns wieder mit dem Begriff zu verbinden. Statt dessen Abwehr, wohin man schaut.
Die Talkshow mit Anne Will verhandelte das Pflegereförmchen, das die Regierung beschlossen hat. Hier hundert Euro mehr, da ein bisschen mehr Flexibilität in der Zuteilung von Pflegedienststunden. Alles zusammen einen Tropfen auf den heißen Stein, wie durch die Anwesenheit von pflegenden Angehörigen überdeutlich wurde.
Familie: ein Auslaufmodell?
Die Forderung von Barbara Scheel (Gattin des Altbundespräsidenten), den „Soli“ in einen Pflege-Soli umzuwandeln, finde ich gut – überhaupt ist nicht einzusehen, warum die Pflegeversicherung nicht erweitert werden soll. Der ebenfalls geladene Gesundheitsminister wies darauf hin, dass sie immer schon nur als Hilfe gedacht war, den Löwenanteil sollen und wollen die Familien tragen, wie er meint.
Doch Barbara Scheel zählte in der talkenden Runde nur Kinderlose und konterte: „Die Familie ist ein Auslaufmodell!“ Immer mehr Menschen leben allein, die geforderte „Flexibilität“ treibt noch vorhandene Familien auseinander – an dieser Entwicklung mogelt sich die Politik einfach vorbei und beschwört „Family Values“.
Nun, angeblich müssen wir uns nicht sorgen. Die Heime seien besser als ihr Ruf, berichtete Konrad Franke. Er habe immerhin 300 davon im Rahmen seiner Recherchen besichtigt. Da er aber auch erzählte, dass er die eigenen Eltern „ins Heim gedrängt habe“, kann es durchaus sein, dass er dabei eine rosa Brille trug, die alles halb so schlimm erscheinen ließ. Woraufhin Klaudia Güthues (pflegende Angehörige) berichtete, dass ihren Eltern, die sie nun doch ins Heim geben musste, abends die Zähne ‚raus genommen würden, was sie ihr ganzes bisheriges Leben lang nicht gewollt und nicht praktiziert hätten.
Von solchen Details wollte die Talk-Runde lieber nichts wissen. Und als Frau Scheel noch meinte, eine 95-Jährige leide sehr darunter, wenn sie von einem Schwarzafrikaner „intim gewaschen“ werde, reagierten alle wie panisch auf den „rassistischen Unterton“. Die Peinlichkeit, die die alte Dame verspürt, darf halt nicht sein, bzw. es muss betont werden, dass es doch wohl nur ums Geschlecht des Pflegers gegangen sei.
Nein, ist es vermutlich nicht. Meine hochbetagte Großtante war ganz genau so. Davon abgesehen wünsche ich mir an der Stelle glatt ein wenig mehr „islamische Würde“, nämlich weibliche Pflegerinnen für Frauen und männliche für Männer.
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9 Kommentare zu „Pflege und Pflegereform bei Anne Will“.