Über die Süddeutschen Zeitung fand ich den Bericht der Krankenschwester Bronnie Ware, die seit vielen Jahren Menschen beim Sterben begleitet. Sie beschreibt die Gefühle, die alle durchmachen, die dem sicheren Tod entgegen sehen: Verdrängung, Angst, Reue, mehr Verdrängung – und schließlich Akzeptanz des Unabweisbaren. Jeder einzelne, sagt Bronnie, habe am Ende seinen Frieden gefunden.
Die Sterbenden haben ihr auch erzählt, was sie im Rückblick auf ihr Leben am meisten bereuen. Da alle, die diesen Artikel lesen, noch recht lebendig sind, lohnt es, die Punkte genauer zu betrachten:
1. Ich wünschte, ich hätte den Mut aufgebracht, ein Leben getreu mir selbst zu führen – anstatt eines, das andere von mir erwarteten.
Dies ist die häufigste Klage der Sterbenden, die kurz vor dem Ende erkennen, wie viele Träume sie nicht gelebt haben – und zwar aufgrund eigener Entscheidung. Es wundert nicht, dass Bronnie den Lebenden rät: „Es ist wichtig, zu versuchen, wenigsten ein paar Träume wertzuschätzen und umzusetzen. Wenn die Gesundheit verloren geht, ist es zu spät! Gesundheit bedeutet eine Freiheit, die nur wenige wertschätzen, BEVOR sie sie verloren haben.“
2. Ich wollte, ich hätte nicht soviel gearbeitet!
Dies war die Klage aller Männer, die Brownie betreute. (Da die sterbenden Frauen einer anderen Generation angehörten, waren sie meist nicht erwerbstätig gewesen.) Sie bereuten, kaum Zeit mit ihren Kindern und Partnerinnen verbracht zu haben und statt dessen ihr Leben der „Tretmühle“ des Arbeitslebens geopfert zu haben.
Bronnie rät, das Leben zu vereinfachen und sich bewusst zu machen, ob man nicht mit weniger Einkommen besser leben kann: mit mehr Freiräumen wären wir glücklicher und freier, sich bietende Glücksmöglichkeiten zu ergreifen.
3. Ich wünschte, ich hätte den Mut aufgebracht, meine Gefühle zu zeigen.
Viele Menschen unterdrücken ihre Gefühle „um des lieben Friedens Willen“. Daraus resultiert ein mittelmäßiges Leben weitab vom eigenen Potenzial. Viele werden sogar krank aus Bitterkeit und Ressentiment.
Bronnie: „Wir können die Reaktionen der andern nicht kontrollieren. Doch egal wie die Reaktionen auch ausfallen mögen, wenn Du beginnst, ehrlich zu sein, hebt das am Ende die Beziehung auf ein neues und gesünderes Niveau – ODER die Beziehung verschwindet aus deinem Leben. Beides ist ein Gewinn.“
4. Ich wünschte, ich wäre mit meinen Freunden in Kontakt geblieben.
Im Sterben vermissten viele ihre Freunde, die sie im Leben vernachlässigt oder aus den Augen verloren hatten. Im „Business-Lebensstil“ sind Freundschaften oft nachranging, doch am Ende zählt nicht mehr der Finanzstatus, sondern ausschließlich Liebe, Freundschaft, Beziehung.
5. Ich wünschte, ich hätte mich glücklicher sein lassen.
Dieses Bedauern ist erstaunlich: am Lebensende begreifen die meisten, dass Glück auch eine Entscheidung, also eigene Wahl ist. Sie steckten in Gewohnheiten und Traditionen fest, verließen niemals die „Komfortzone“ und scheuten Veränderungen, was zu einer zunehmenden Selbstentfremdung führte. Was andere von einem denken, ist auf dem Sterbebett nicht mehr wichtig. Mehr Lachen, auch mal was Verrücktes tun bzw. zulassen – glücklich jene, die das noch im Leben verwirklichen können!
Alle fünf Punkte sind eigentlich „nichts Besonderes“. Lebensratgeber werden als „banal“ belächelt, wenn sie diese Themen zum zehntausendsten Mal in Worte fassen. Und doch: Glück ist nichts kompliziertes, die Ratschläge sind nicht schwer zu verstehen und trotzdem wahr.
Das „Problem“ ist die Umsetzung: sich immer wieder frei machen von den vermeintlichen Zwängen und Erfordernissen des Alltags, zumindest innerlich. Um wieder „zu sich zu kommen“ und nicht aus den Augen zu verlieren: Was ist mir wirklich wichtig?
Das hat (so denke ich) auch Castaneda einst gemeint, der seinen Don Juan dem suchenden Carlos raten ließ: Der Tod sitzt auf deiner linken Schulter! Mache ihn dir zum Freund und Ratgeber!
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13 Kommentare zu „Was wir am Ende des Lebens bereuen“.