Es gibt verschiedene unschöne Eigenheiten der Charaktere, die sich mit zunehmendem Alter immer deutlicher ausprägen – nicht bei allen, klar, aber doch bei einigen. Neben der Verbitterung und gelegentlich zunehmender Menschenfeindlichkeit ist das der „Altersstolz“, der sich zum Hindernis im Umgang mit Anderen entwickeln kann.
Wer kennt nicht alte Menschen, die keinerlei Widerspruch mehr ertragen? Sie reagieren gleich beleidigt, wenn man anderer Meinung ist, diese gar noch belegt und verteidigt. Sie halten fest an dem, was sie für die einzig stimmige Methode, das richtige Verhalten, die korrekte Bewertung halten und lassen da kein bisschen mit sich reden. Fühlen sich abgewertet, ihre lange Lebenserfahrung negiert, ihre Kompetenzen in Zweifel gezogen – ich kann es verstehen, hoffe aber sehr, als Hochbetagte nicht selbst so zu werden.
Auch ich bin jetzt im Rentenalter und ziehe oft innerlich die Augenbrauen hoch, wenn mir die „Naivität der Jugend“ begegnet, im Guten wie im Schlechten. Aber es hilft, mich stets daran zu erinnern, wie ich selber in jüngeren Jahren war. Und zudem: Nichts ist in Stein gemeiselt, die Welt ändert sich, andere Menschen machen andere Erfahrungen und hegen entsprechende Meinungen. Das Schärfste: Ich habe nicht immer recht, wenn ich auch annehme, einen guten „Weitblick“ zu haben.
Dieser Weitblick, der mehr das Ganze anschaut als das Detail, das vielleicht gerade skandalisiert wird, ist nicht nur positiv, sondern bedeutet auch einen Verlust an Kampfkraft. Wer zuviel Verständnis für die Rahmenbedingungen hat, unter denen Menschen agieren (und oft nicht anders können), bringt die Wut nicht mehr auf, die – koste es, was es wolle – auf Veränderung drängt. Solche Defizite zu sehen, macht demütig und nachsichtig – und das ist gut so!
Was mit zunehmendem Alter besser ab- als zunehmen sollte ist das Ego. Die Jugend und das mittlere Erwachsenenalter sind die richtige Zeit, zu glänzen und mit den eigenen Pfunden merklich zu wuchern. Später ist das nicht nur immer weniger nötig, sondern wird ein Hindernis, ein Charaktermangel, ein Grund für Andere, eher zu flüchten als zu bleiben.
Egozentrische Alte können im Einzelfall unterhaltsame „Kunstfiguren“ werden, doch ist das nicht der Normalfall. Der ist leider nur unerträglich, weshalb so manche vereinsamen – nicht wegen ihres Alters, sondern weil sie das „Ich ich ich!“ nicht ablegen können, das nurmehr eine trennende Mauer darstellt, je älter man wird.
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4 Kommentare zu „Altersstolz – ein Hindernis“.