Claudia am 11. September 2016 —

Das Alte und das Neue: Fragen und Antworten

Maria Al-Mana vom „Unruhewerk“ hat mich in einer Art Blogparade für den „Liebster Award“ nominiert. Was bedeutet zunächst: 11 interessante Fragen beantworten, die auf die eine oder andere Weise das Altern thematisieren. Los geht’s:

1. Wenn ihr ein Buch – das euch wirklich interessiert – gleichzeitig in Papierform und als E-Book vorliegen habt: Welche Ausgabe lest ihr? Und warum? Hängt es vom Genre ab?

Ich ziehe das Papierbuch vor, weil es mir – anders als z.B. Kindle-Bücher – wirklich gehört. Und weil ich als schreibende Freiberuflerin sowieso die meiste Zeit vor dem Monitor sitze, mag ich in der übrigen Zeit nicht auch wieder auf Bildschirme starren, jedenfalls nicht zum lesen. Fakt ist aber auch: das Papierbuch liegt dann halt da und wartet oft vergebens auf „Lesezeit“.

2. Welche Dinge technischer Art, die in den letzten 20 Jahren neu in euer Leben getreten sind, wollt ihr nie mehr missen?

Vor 20 Jahren hab‘ ich das Web für mich entdeckt, meine erste „Homepage“ und das erste „Cyberzine“ gestaltet und mich wenig später mit dem Web-Werken selbstständig gemacht. Dafür musste ich nichts tun als Aufträge annehmen, die von selber kamen. Meine wachsende eigene Web-Landschaft hat immer wieder Auftraggeber/innen angezogen – und im Prinzip ist das bis heute so geblieben. Am PC sitze ich schon länger als 20 Jahre – und ich möchte ihn wirklich nicht missen.

3. Welche Dinge, die es in eurer Jugend gab, aber heute nicht mehr, wünscht ihr euch dringend zurück?

Wirklich haltbare Produkte, die nicht nach kurzer Zeit oder spätestens nach Ablauf der Garantiezeit auseinander fallen. Zwar gibt es auch heute noch „gute Dinge“, doch sind diese dann extrem hochpreisig und man muss wirklich lange suchen.

4. Wie ist das mit der Kommunikation zwischen jüngeren und älteren Menschen – wo funktioniert sie in eurem Leben, wo weniger gut? Was hat sich verändert – und wie?

Ältere Menschen fehlen mir, ich komme selten mit ihnen in Kontakt. Und wenn doch, vermisse ich eine gewisse Aufgeschlossenheit und die Bereitschaft, eigene festgefahrene Überzeugungen auch mal wieder in Frage zu stellen. Junge Menschen treffe ich im Rahmen meines politisch-sozialen Engagements. Mir gefällt ihre Energie, ihre Kraft und der Wille zum „Bäume ausreissen“, doch fällt mir viel mehr als früher auf, wie sehr sie in den Denkschablonen der jeweiligen Szene fest stecken. Empfindlicher als früher scheinen sie auch zu sein, weniger fähig, auch mal Dissens zu ertragen und zu streiten. Selbst genieße ich da die „Narrenfreiheit“, die mir offenbar zugestanden wird: Wenn ich eine Meinung äußere, die dem so sehr geschätzten Konsens widerspricht, provoziert das weit weniger, als wenn eine Gleichaltrige dasselbe sagen würde.

5. Der Buchmarkt kennt Kinder- und Jugend-, Frauen- und Unterhaltungsliteratur. Und noch viele andre Sparten. „Seniorenliteratur“ kommt allerdings nirgends vor. Ein Versäumnis? Oder eine ganz blöde Idee?

„Seniorenliteratur“ würde wohl kaum jemand lesen wollen. Was sollte das auch sein? Kurzes Googeln ergibt: so bezeichnete Bücher gibt es bereits, sie thematisieren das Alter in allerlei Facetten. Da ich kaum mehr zum Bücher lesen komme und mich per Blog mit dem auseinandersetze, was mich interessiert, gehöre ich eher nicht zur Zielgruppe für solche „Seniorenliteratur“.

6. Als Jugendliche bin ich leidenschaftlich gern auf Friedhöfen spazieren gegangen. Heute gar nicht mehr. Was mich damals fasziniert hat, hat heute keine Spur der damaligen (ziemlich romantisch angehauchten) Gefühle mehr… Habt ihr auch solche Erfahrungen, die sich komplett verändert/in ihr Gegenteil verwandelt haben?

Friedhöfe waren für mich geschätzte Naherholungsgebiete in der Stadt. Heute hab‘ ich einen Garten und brauche sie nicht mehr. :-)
Die größte Veränderung bemerke ich jedoch im Bereich Partys, Feste, Kneipenbesuche: Es gibt mir nichts mehr, mich in Menschenansammlungen aufzuhalten und zu smalltalken. Und erstmal fünf Stunden Alkohol trinken, um dann mit ein paar „Restlichen“ zu wesentlicheren Themen zu kommen, ist auch nicht mehr meins!

7. „Alte Besen kehren gut“… Auf welche Bereiche eures Lebens trifft das zu? Oder seid ihr eher der Ansicht, dass man sich alle paar Jahre komplett ändert – und dann jeweils „neue Besen“ dafür, sprich: einen neuen Blick auf die Dinge und sich selbst braucht?

Gelebte Erfahrungen sind bleibende Werte, die man mit zunehmendem Alter besser nutzen kann. In meinem beruflichen Sektor bewege ich mit in der IT- und Internet-Welt, über die man glaubt, dass ständige Innovation alles Alte obsolet mache. Das mag auf etliche Bereiche zutreffen, doch merke ich auch immer wieder: Erfahrung zählt, spart oft Arbeit und somit sogar Geld. Vielen Jüngeren fehlt der Überblick, sie sind Experten in ihrem jeweiligen, oft recht begrenztem Bereich. Dass Lösungen manchmal viel einfacher zu haben sind, wenn man etwas außerhalb dieses speziellen Sektors ändert, sehen sie nicht, kennen sie nicht.
Was die Welt- und Selbsterkenntnis angeht, ist es wichtig, auch immer mal veränderte Blickwinkel zuzulassen, sich auf Neues einzulassen und nicht alles gleich zu verdammen, bloß weil man es nicht kennt und gegenüber dem früheren Zustand als defizitiär empfindet.

8. Gibt es ein Thema, für das ihr euch ungebrochen euer ganzes Leben lang interessiert? Wenn ja, würde ich gern wissen, welches Thema das ist. Und warum? Wenn nicht, könnt ihr einfach zur nächsten Frage hopsen.

Schon oft hab‘ ich Menschen beneidet, die über ein solches Spezialthema, einen eigenen „Daimon“ verfügen, der sie antreibt. Ich denke, das Leben ist dann einfacher, doch man kann es sich eben nicht aussuchen. Meine Interessen verändern sich im Lauf der Zeit. Was bleibt ist, dass ich lieber etwas gestalte und aufbaue, als etwas „Fertiges“ zu pflegen und endlos weiter zu betreiben. Zum Glück sind z.B. Blogs und Webprojekte, aber auch ein Garten niemals „fertig“.

9. Gibt es so etwas wie „alte“ und „neue“ Arbeitswelten? Wenn ja: Woran macht ihr das fest? Was sind die wichtigsten Parameter dafür?

Als „alte Arbeitswelt“ sehe ich Langzeit-Festanstellungen mit Betriebsrente und festen Arbeitszeiten. Dieser Welt hab‘ ich mich mein Leben lang weitgehend verweigert, „prekär“ war immer schon mein Stil. Kurzfristige Engagements in Projekten kommen meinem Faible für „immer mal was Neues“ viel mehr entgegen. Morgens nicht in ein fernes Büro aufbrechen zu müssen, beglückt mich auch heute noch! Dass ich als Folge dieser Lebensweise nie mit dem Arbeiten aufhören werde können, schreckt mich (noch) nicht. Zur Not komme ich auch mit Grundsicherung und kleinen Nebenverdiensten aus, denn Besitz anhäufen und verteidigen hab‘ ich mir nie angewöhnt.

10. Habt ihr mit „50plus“ noch Dinge ganz neu entdeckt, bzw. gelernt? Welche sind das? Und „stürzt“ ihr euch dann mit dem gleichen Eifer wie vielleicht mit 20 darauf – oder geht ihr heute anders damit um als ihr das früher getan hättet?

Rund um die Wechseljahre erlebte ich eine Phase gesteigerter erotischer Interessen, in die ich mich auch begeistert „hinein stürzte“, neue Erfahrungen machte und meinen jetzigen Partner kennen und lieben lernte. In Beruf und Hobby (nicht immer klar zu unterscheiden) kommen mir nach wie vor ständig neue Ideen für neue Webprojekte. Anders als früher stürze ich mich da nicht mehr gleich in die Umsetzung, weil ich weiß, dass meine „mögliche Arbeitszeit“ begrenzt ist und zudem diese Idee nur eine in einer schier endlosen Reihe ist. Ich suche noch nach einer Möglichkeit, „mögliche Projekte“ so weiter zu geben, dass vielleicht Andere an die Umsetzung gehen. Gar nicht so einfach…

11. Wie seht es aus mit Traum-Urlaubszielen? Greift ihr da auf Alt-Bewährtes zurück („da weiß man, was man hat!“) oder denkt eher: „Die Zeit wird langsam knapp – ich will noch so viel Neues entdecken!“ Und wie verhaltet ihr euch diesen Gedanken gegenüber?

Grade diese Woche war ich drei Tage in Husum, weil ich in diesem Leben unbedingt auch mal Ebbe erleben wollte. Ansonsten hege ich kein Bedürfnis, noch „die ganze Welt zu sehen“, sondern besuche in eher seltenen und nie langen Urlauben Orte in Spanien und Italien, die ich noch nicht kenne.
„Urlaub“ empfand ich im übrigen immer schon als etwas, das mehr zur „alten Arbeitswelt“ (siehe oben) gehört. Da ich vom heimischen PC aus arbeite, könnte ich das überall tun – und hab‘ es auch getan, als mich z.B. die Sehnsucht nach dem Leben auf dem Land packte:

Sehnsucht nach dem Land?
Nach Erde, Stille, Weite, Langsamkeit?
Nicht träumen, hinziehen.
Sonst stirbst du eines Tages und denkst: „Ach, wär‘ ich doch wenigstens mit 50 aufs Land gezogen!“ Willst du das?

Nach zwei Jahren bin ich dann doch nach Berlin zurück gekehrt. Und seit ich einen Garten (mitsamt Gartenblog) habe, ist mein „Urlaub“ nurmehr 20 Fahrradminuten entfernt!

Danke, Maria!

So, das waren interessante Fragen, die zu langen Antworten inspirierten. Ich hoffe, es ist mir niemand böse, weil ich keine eigenen Fragen stelle und niemanden „nominiere“. Ich würde es gerade zeitlich nicht schaffen, dieser Sache die nötige Aufmerksamkeit zu schenken und das „zusammenfassende Bloggen“ hinzubekommen. Umso mehr danke ich Maria Al-Mana für ihren Elan, neben spannenden neuen Unternehmungen immer wieder solche schönen Kommunikationsprojekte zu starten und zum Erfolg zu bringen!

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Diskussion

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4 Kommentare zu „Das Alte und das Neue: Fragen und Antworten“.

  1. […] Antworten von Claudia Klinger findet ihr hier, die von Claudia Münster hier – die hat, so ganz nebenbei, daraus eine Abhandlung über […]

  2. Liebe Claudia, uffz! Das war für mich wider Erwarten ein relativ schwieriges Unterfangen…. Und du hattest von Anfang an Recht: „Seltsam ruhig“ war das, und die Sache mit dem „Prinzip Award“ musste ich auch noch mal überdenken. Gerade darum: Ganz herzlichen Dank für deine Mithilfe, deine klugen, offenen und überlegten Antworten. Und vor allem für deine Geduld!
    Lieben Gruß
    Maria

  3. Liebe Claudia,
    herzlichen Glückwunsch zum Award und vielen Dank für deine interessanten Antworten auf Marias Fragen.

    „Gelebte Erfahrungen sind bleibende Werte, die man mit zunehmendem Alter besser nutzen kann.“ Die gleiche Erfahrung habe ich auch gemacht (komme ursprünglich auch aus der IT). Und besonders produktiv finde ich, wenn alte Hasen mit jungen Spezialisten vorurteilsfrei zusammenarbeiten.

    Viele Grüße und alles Gute für deinen Blog
    Christine

  4. Zur ersten Frage: Papier, Papier…. ich liebe Papier. Schon als Kind habe ich mir Hefte, Blöckchen usw. von meinem Taschengeld gekauft. auch heute noch liebe ich schöne Notizbücher, Kalender usw. Das gilt auch für Bücher. Zwar horte ich diese heute nicht mehr, sondern gebe sie nach dem lesen weiter, aber ich habe immer noch gern ein Buch in der Hand.
    Nur im Urlaub greife ich auf ebooks zurück, damit ich nicht 3-4 Bücher schleppen muß.

    Herzliche Grüße und … Ihr seit toll
    Karin Austmeyer