Auf TT.com ist ein sehr lesenswertes Interview mit dem Ethiker und Gerontologen Heinz Rüegger erschienen. In „Dem Alter mehr Würde geben“ ist von den verschiedenartigen Diskriminierungen des Alters die Rede. Als da ist
- „Ageismus“ – eine gesellschaftliche Haltung, die das Alter als störend ansieht. Alte sollen sich möglichst jugendlich geben, um noch gesellschaftlich akzeptiert zu werden; Maßstab der „Normalität“ sind die Kompetenzen des mittleren Alters (gesund, fit, leistungsstark), was alle Älteren zu defizitären Existenzen herab würdigt;
- Unergonomische Technik: viele Produkte sind „altersfeindlich“ gestaltet und verpackt. Bei schwindender Feinmotorik können sie von Alten nicht genutzt werden, was der Selbständigkeit abträglich ist;
- Diskriminierung im Gesundheits- und Sozialwesen: bestimmte Therapien werden Hochbetagten verweigert. Und es gilt zu Unrecht als „normal“, im Alter zunehmend unter Schmerzen und Despressionen zu leiden;
- Diskriminierung in Heimen und Anstalten: nicht mal ausreichende Versorgung mit Essen ist gewährleistet, von all den schlimmen Zuständen und Bevormundungen ganz zu schweigen, von denen wir immer wieder lesen müssen.
Eine Kultur der Zärtlichkeit?
Rüegger fordert, Alte ernst zu nehmen, was vor allem bedeute, sie in ihrem Wunsch nach Autonomie ernst zu nehmen, ihnen also nicht alles abzunehmen, obwohl sie noch vieles selber können. Man müsse im übrigen wegkommen von der Wellness-Fitness-Ideolgie und – nicht nur bezüglich alter Menschen – mit den Schwächen und Verletzlichkeiten in uns allen anders umgehen. Eine neue „Kultur der Zärtlichkeit“ würde allen nutzen: auch ein Manager dürfe dann mal weinen.
Also weg vom „Macherwahn“ – eine Forderung, die ich nur unterschreiben kann. Aber WIE SCHWER wird das in einer Gesellschaft, in der zunehmend nur Leistungsfähigkeit und ein attraktives Äußeres zählen?
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4 Kommentare zu „Die Macher-Philosophie ablegen: Würde und Diskriminierung im Alter“.